Wenn der Kopf zu macht

In meinem letzten Blogpost bin ich auf meine Liebe zum Laufsport eingegangen und habe euch mit zu meinem ersten Laufwettkampf mitgenommen. Das Laufen war für mich nie ein Zwang oder Kampf. Auch nach einem langen und anstrengenden Tag habe ich ganz selbstverständlich, ohne darüber nachzudenken meine Laufschuhe geschnürt und war selbst bei Kälte und schlechtem Wetter draußen. Es war für mich ein Ausgleich. Doch wie es so kommt, verfolgt man bei einer wachsenden Leidenschaft seine Vorbilder in den sozialen Medien, zum Großteil LeistungsspotlerInnen und SportlerInnen, welche von Sponsoren und Instagram leben und eigentlich den ganzen Tag nichts anderes machen als zu trainieren. Dann kam Corona und die Welt stand für einige Wochen still. Keine Uni, kein Praktikum und auch keine Arbeit. Ich stand also da und hatte ganz viel Zeit und Sport im Freien war erlaubt. So folgte ich unbewusst das Scheinbild der „Instagramsportlern“. Auf einmal steigerte sich mein Trainingspensum von 5 bis 7 Stunden in der Woche auf 8 bis teilweise 10 Stunden die Woche. Immer wieder mit dem Gedanken während und nach dem Lauf ,,Du bist nicht schnell genug! Du kannst das nicht! Andere Läufer denken sonst was von dir!“ Angetrieben von einer Sportuhr. Am liebsten bin ich alleine laufen, um einfach mein Tempo zu machen, wie ich es gerade brauche und um nicht erst recht in Druck durch andere zu geraten. Insbesondere Sprüche, welche ich in meiner Vergangenheit schon hörte wie ,,Na ja ab km xy bist du ziemlich eingebrochen.“ oder ,,deine Grundlagenausdauer ist noch ziemlich ausbaufähig.“ Diese Sprüche bleiben nachhaltig im Gedächtnis. So habe ich versucht immer Gas zu geben und bin am Ende daran gescheitert. Was keiner der Personen wusste, in welchem Puls Bereich ich mich eigentlich bewege. Während meine MitläuferInnen für sich ein gemütliches Tempo wählten, ging bei mir der Puls bis auf 180 HPM. Ein Puls Bereich, in dem jeder irgendwann einbricht und das Tempo nicht mehr lange durchhält. So sehr ich mich immer versuche zu rechtfertigen schwingt unter SportlerInnen immer ein gewisser Vergleich mit. Doch um sich untereinander zu Vergleichen benötigt es ähnliche oder auch gleiche Merkmale. Dementsprechend dürfte ich mich maximal mit Frauen in meiner Größe, meinem Gewicht, gleichen Trainingspensum und gleicher Trainingsdauer vergleichen. Da wird schnell klar, dass es nur wenig Menschen gibt, die alle Kriterien erfüllen, da jeder Mensch einen anderen Körper und eine andere Trainingsgeschichte hat. Während der Vergleich einige anspornt, kann er aber genauso gut krank machen. Es gibt keine andere Sportart als das Laufen, welche sich durch die Gedanken so extrem beeinflussen lässt. Denke ich mir also ,,dass ich schneller sein muss, es nicht kann oder es nicht klappt, dann ist es bereits während des Laufs spürbar. Wir werden schwerfälliger, der Puls geht mehr nach oben, wir kommen außer Atem und wollen einfach nicht mehr. Eine Negativspirale, die einen immer mehr nach unten zieht. In der Uni habe ich dies unter kognitiver Umstrukturierung, allerdings im negativen Sinn, kennengelernt. Genauso erging es mir durch Corona. Es fing zunächst an mit einer entzündeten Plantarfaszie, einer schmerzenden Wade, Gewichtszunahme und schlussendlich zum Muskelabbau. Mein Kopf war zu und dementsprechend hat mein Körper auch aufgegeben dieses Spiel noch länger mitzumachen. Dieses Problem ist mir dann erst bewusst geworden, als ich in den Alpen am eigenen Leib erfahren musste, was Leistungsabfall ist. Ich kam schneller aus der Puste, fühlte mich schwach und mein Puls stieg natürlich immer an. Während ich vor zwei Jahren nicht ansatzweise das Trainingspensum hatte und dabei fitter war. In diesem Moment musste ich einsehen, dass ich es mit dem Training einfach übertrieben habe und einen Gang zurückschalten muss. Ich habe dem Laufen erstmal den Rücken gekehrt und musste von meinem eigentlichen Lieblingssport erstmal Abstand gewinnen und einsehen, dass es nicht die Zeit ist, welche mich zu einer leidenschaftlichen Sportlerin macht. Nachdem ich viele Kräftigungsübungen gemacht habe und viel mit dem Fahrrad unterwegs war, habe ich mich wieder an das Laufen herangewagt. Diesmal langsam, auch wenn es bedeutet, dass ich 10 Minuten für einen Kilometer brauche. So habe ich auf meinen Puls geachtet, dass er unter 150 HPM bleibt. Ich war anfangs skeptisch und ich fühlte mich beim Laufen zunächst unwohl. Doch plötzlich merkte ich, dass mein Puls nicht mehr in die Höhe schießt, ich mich wohlfühle und endlich den Lauf und die Natur um mich herum genießen kann. Aus den geplanten 60 Minuten sind plötzlich 90 Minuten geworden, denn ich hatte Spaß. Am Ende sollten wir uns nicht mit anderen Vergleichen, auch wenn es verführerisch ist. Den besten Vergleich, den man ziehen kann, ist mit sich selbst und seinem Fortschritt den man gemacht hat. Schlussendlich bin ich schnellere Zeiten gelaufen aber habe einen Rückschritt gemacht. Nun arbeite ich daran diesen Rückschritt aufzuholen und in ein paar Wochen oder Monaten einen positiven Vergleich ziehen zu können. Die größte Herausforderung dabei bleibt die kognitive Umstrukturierung. Zu lernen keine negativen Gedanken zuzulassen und positiv zu denken, damit sich dies auch positiv auf die Läufe auswirkt. Dies wiederum ist ein langer anstrengender Weg, den bereits Eltern mit ihren Kindern, sowie LehrerInnen mit ihren Schulklassen und auch andere SportlerInnen gehen sollten, damit negative Gedanken unser Handeln nicht beeinflussen. In diesem Sinne, sportelt so, wie es euch Spaß macht und nicht so wie andere euch sportelnd sehen wollen !

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